Wo findet man Bilder, die gesellschaftliche Vielfalt repräsentieren? Und was sollte man bei der Auswahl beachten? Angebote und Tipps für differenzierte Bildsprache – auch im Bildungskontext.
Trotz wachsender Sensibilität von Verlagen und Bildungsinstitutionen für die Themen Vielfalt und klischeesensible Darstellung finden sich auch heute noch Bilder in deutschen Bildungsmaterialien, die diskriminierende Stereotype reproduzieren. In der Schulbuchstudie Migration und Integration, die das Georg-Eckert-Institut 2015 im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt hat, wird etwa die eindimensionale Darstellung von Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchteten in Schulbüchern problematisiert. In jedem zweiten der darin untersuchten Sachkundebücher sind die Kapitel zu Migration und Flucht mit überfüllten Schlauchbooten illustriert. Migration wird bildlich auf ein Bedrohungsszenario für und eine Massenbewegung nach Europa reduziert. Positive Darstellungen von Menschen mit Migrationsbiografie sind hingegen seltener zu finden.
Gerade in Bildungskontexten ist die Wirkung, die eine Reproduktion von Stereotypen in der Bildsprache haben kann, nicht zu unterschätzen. Gefühle des Andersseins und des Nicht-dazugehörens können sich durch eine eindimensionale Bildsprache verfestigen. Was sollte man bei der Auswahl von Bildmaterial für die (Bildungs-)Arbeit mit Kindern und Jugendlichen deshalb beachten? Wie lässt sich gesellschaftliche Vielfalt bildlich repräsentieren? Drei exemplarische Anregungen für Lehrende, die ihr Material klischeefrei und diskriminierungssensibel gestalten möchten.
Datenbank: Gesellschaftsbilder.de
Zwei Frauen sitzen an einem Tisch, unterhalten sich, lachen zusammen, eine der beiden sitzt im Rollstuhl. Ein andere Frau redet angeregt mit dem Mann ihr gegenüber, der, ihr zugewandt, lächelnd an der Bar sitzt. Gut sichtbar hinter seinem Ohr befindet sich ein Hörgerät. Die geschilderten Situationen beschreiben Bilder aus der Fotodatenbank gesellschaftsbilder.de, die 2016 vom Berliner Verein SOZIALHELDEN e.V. gegründet wurde. Mit dem Bilderpool möchte das Projekt einen Beitrag zu einer klischeefreien Bildsprache leisten, gesellschaftliche Vielfalt wird hier als Normalfall begriffen. Die Fotos dürfen kostenfrei für die redaktionelle Arbeit verwendet werden.
Entstanden sind die Bilder aus dem Projekt leidmedien.de, das Tipps für die journalistische Berichterstattung über Menschen mit Behinderung gibt. Die Bilder in der Fotodatenbank stellen eine große Bandbreite an Situationen dar: Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung, Familie und Inklusion, barrierefreie Bahnhöfe oder Möglichkeiten für einen barrierefreien Internetzugang, beispielsweise für Menschen mit Sehbehinderung. Die Fotografinnen und Fotografen sind bei der Entstehung der Bilder darauf bedacht, Perspektiven "auf Augenhöhe" einzunehmen. Auch die Protagonistinnen und Protagonisten werden in den Entstehungsprozess der Fotos mit einbezogen, damit sie Einfluss auf ihre Darstellung haben und bestimmen können, wie sie gesehen werden wollen.
Medienprojekt: Bilder im Kopf
Das 2015 entstandene Kooperationsprojekt Bilder im Kopf der Diakonie Düsseldorf, dem Caritasverband Düsseldorf und dem Verband binationaler Familien und Partnerschaften konzentriert sich auf vielfaltsbewusste Medienangebote für Kinder und Jugendliche. Das Projekt richtet sich vor allem an Verlage und den Buchhandel aber auch an pädagogische Fachkräfte, Lehrende, Eltern und Ehrenamtliche, die mit Kindern arbeiten. Ziel ist es, für einen vorurteilsbewussten Umgang mit Medien zu sensibilisieren, etwa durch Schulungen, Workshops und Veranstaltungen zum Thema, sowie gelungene Beispiele aus Kinder- und Jugendmedien. Gleichzeitig bietet Bilder im Kopf Kindern, Jugendlichen und interessierten Erwachsenen die Gelegenheit, eigene Medien nach ihren Vorstellungen zu entwickeln und zu gestalten. Die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sollen sich mittels neuer Medien mit Themen rund um Diskriminierung auseinandersetzen.
- Folgende Fragen empfiehlt das Projekt Bilder im Kopf bei der Beurteilung und Gestaltung von Medien mit zu berücksichtigen:
- Können sich Kinder und Jugendliche unter unterschiedlichen Vielfaltsaspekte positiv mit den handelnden Figuren identifizieren?
- Werden Menschen mit verschiedenen Vielfaltsaspekten differenziert dargestellt oder wird mit Klischees gearbeitet?
- Werden Tatsachen sachlich richtig dargestellt?
- Werden Leserinnen und Leser angeregt, sich mit Vielfaltsaspekten im Zusammenleben sowie Rassismus und Diskriminierung auseinanderzusetzen, emphatisch zu empfinden und die eigene Haltung zu überdenken?
- Fördert die Literatur eine friedliche und kreative Konfliktbearbeitung und Aushandlung?
- Erscheinen unterschiedliche Lebensformen und Normen ebenbürtig?
Leitfäden: Handlungsempfehlungen aus der Forschung
Bei der eigenen Bewertung und Gestaltung von Medienprodukten oder auch Unterrichtsmaterialien können Leitfäden aus dem wissenschaftlichen Umfeld helfen - etwa die Handlungsempfehlungen für eine Diversitätssensible Mediensprache der Goethe-Universität Frankfurt. Der Leitfaden thematisiert zum Beispiel den Zusammenhang von Bildkomposition und der Reproduktion von gesellschaftlichen Hierarchien. Veranschaulicht werden die Themen mit exemplarischem Bildmaterial. Zusätzlich liefert der Leitfaden Tipps für die Bildrecherche. Ein weiterer Leitfaden für Vielfalt in der (Text-)Sprache ist in Planung.
Die Goethe Universität gehört zu den Hochschulen in Deutschland, die den Bereich "Gender Equality und Diversity Policies" sehr stark fördern. Sie ist seit 2011 Mitglied der Charta der Vielfalt. Mit verschiedenen Ansätzen innerhalb der Hochschule sollen Impulse gesetzt werden, um gelebte Vielfalt und Chancengerechtigkeit zu erreichen und damit auch die Qualität von Forschung und Lehre zu steigern. Durch die Offensive Chancen=, die den Aktionsplan Chancengleichheit 2017-2022 beinhaltet, will die Hochschule vermehrt informieren und das Bewusstsein für Diskriminierung stärken. Das Programm zielt darauf ab, dass Mitglieder und Angehörige der Universität sich aktiv für Chancengleichheit engagieren und einen respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang in den Mittelpunkt einer anerkennenden Campuskultur stellen.
Weitere Beispiele:
- Der Leitfaden Bildsprache der Hochschule Fulda enthält eine Reihe von Beispielbildern, die Vielfalt in verschiedenen Arbeitssituationen oder im universitären Kontext zeigen, sowie eine Checkliste für diskriminierungsfreie (Bild-)Sprache.
- Der Leitfaden Gender & Diversity in Wort und Bild der Stadt Freiburg im Breisgau beinhaltet Vorschläge für eine faire Sprache und Bildgestaltung und will das Bewusstsein für selbige stärken. Anhand von beispielhaften Bildern werden alternative Darstellungsmöglichkeiten zu verschiedenen Themen wie Familie, Arbeitssituationen, Jugend, Ausbildungsberufe oder Geschlecht aufgezeigt.
- Der Leitfaden der Charta der Vielfalt richtet sich primär an Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Charta. Er will Fragen beantworten, Tipps geben, vernetzen und stellt unter anderem einige beispielhafte Unternehmen für die Umsetzung von Vielfalt vor.
Dieser Text stammt von bpb.de.
Autorin: Clara Eder (Redaktion werkstatt.bpb.de)
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