Abmahnung bei Creative Commons: Wer, Warum, Was tun?

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Wer beim Verwenden freier Inhalte und offener Bildungsmaterialien Lizenzbedingungen verletzt, könnte abgemahnt werden. Zu diesem Mittel greifen Lizenzgeber aus unterschiedlicher Motivation. Wie sind die Abmahnungen einzuschätzen und was sollten Betroffene tun?

Viele Urheber und Nutzer von Inhalten unter Creative-Commons-Lizenzen fühlen sich einer Gemeinschaft verbunden, der das frei nutzbare Gemeingut (englisch commons) ein Anliegen ist. Sie engagieren sich gemeinsam dafür, dass kreative Inhalte von allen frei, einfach und vielfältig nutzbar sind. Auch die jährlich stattfindenden „Creative Commons Global Summits“ feiern diese Gemeinschaft und beschwören einen kollektiven Geist.

Das Verständnis von Creative Commons als einer Gemeinschaft ist auch für offene Bildungsressourcen (OER) wichtig. Es verstellt jedoch auch leicht den Blick auf den rechtlichen Kern der Creative-Commons-Lizenzen. Sie formulieren rechtliche bindende Bedingungen, unter denen urheberrechtlich geschützte Werke genutzt werden können.

Hält jemand diese Bedingungen unzureichend oder gar nicht ein, entfallen für ihn umgehend die Befugnisse, die die Lizenz gewährt. Er oder sie nutzt das Werk dann vertragswidrig und verstößt gegen das Urheberrecht – mit allen Folgen, die das haben kann.

Wann kommt es zu Abmahnungen?

In Deutschland reagieren die Betroffenen von urheberrechtlichen Verstößen häufig mit Abmahnungen. Das ist von der Grundidee auch vernünftig, weil dadurch Gerichtsprozesse vermieden werden können. Allerdings hat sich mit dem systematischen Abmahnen auch eine äußerst fragwürdige Praxis entwickelt. Zwar versuchte die Politik hierauf einzuwirken, indem sie beispielsweise die Abmahnbeträge deckelte, doch bislang änderte das an den Praktiken nicht viel.

Auch Verstöße gegen die Bestimmungen der Creative-Commons-Lizenzen können abgemahnt oder gerichtlich verfolgt werden. Genaue Zahlen sind dazu nicht bekannt. Im Verhältnis zur millionenfachen, alltäglichen Nutzung von freien Inhalten etwa aus der Wikipedia sind solche Abmahnungen dennoch eine Randerscheinung. Das gilt auch im Vergleich mit Abmahnungen in anderen Bereichen, die sich zum Beispiel gegen Urheberrechtsverstöße bei nicht frei lizenzierten Inhalten richten.

Für die vergleichsweise geringen Quoten an Abmahnungen bei freien Inhalten mag das Gemeinschafts-Verständnis eine gewisse Rolle spielen. Diesem Verständnis nach versuchen die betroffenen Lizenzgeber zunächst durch direkten Kontakt auf den Lizenzverstoß hinzuweisen und eine Lösung zu finden. Darauf verlassen kann man sich aber nicht.

Wer mahnt ab und warum?

Aus den bisherigen Erfahrungen lassen sich die Lizenzgeber, die gegen Lizenzverstöße bei Creative-Commons-Inhalten vorgehen, in vier Kategorien unterteilen: Lizenzgeber mit kommerziellem Verwertungsmodell, Lizenzgeber mit inhaltlichen Gründen, politische Aktivisten und Abzocker.

1. Kommerzielle Verwerter

Es gibt Lizenzgeber, die ein klares Verwertungskonzept verfolgen. Über die Wahl der Lizenzbausteine können sie ausschließen, dass andere ihre Werke kommerziell nutzen oder dafür eine kostenpflichtige Lizenz erwerben müssen. Für freie Bildungsmaterialien spielen Creative-Commons-Lizenzen mit der Bedingung „Non-commercial“ (NC) nur eine untergeordnete Rolle.

Zum einen werden die Bedingungen als nicht kompatibel mit der Grundidee freier Bildungsmaterialien angesehen. Zum anderen gelten viele Nutzungen in Bildungseinrichtungen nicht als kommerziell, sodass sie gegen die Bedingung „Non-commercial“ nicht verstoßen würden. Zwingend ist das aber nicht. Besonders bei privaten Bildungsträgern könnte das Verwenden als kommerziell eingestuft werden. Hier gibt es große Abgrenzungsschwierigkeiten.

2. Inhaltliche Gründe für Abmahnungen

Lizenzgeber, denen an der Integrität ihres Werks gelegen ist, nutzen häufig den Lizenzbaustein „No Derivatives“ (Keine Bearbeitungen, ND). Er verbietet Abwandlungen, die den Gehalt eines Werks verändern. Auch diese Lizenzgeber können prinzipiell mit Abmahnungen oder gerichtlich dagegen vorgehen, wenn unerlaubte Bearbeitungen ihres Werkes veröffentlicht werden.

Abmahnungen, die sich allein auf diesen Punkt stützen, spielen bei offenen Bildungsmaterialien bislang keine Rolle. Hinzu kommt, dass auch Materialien mit diesem Baustein nicht als vereinbar mit deren Grundidee gelten, die Bearbeitungen gerade ermöglichen soll.

Für viele Lizenzgeber ist auch die Pflicht zur Namensnennung sehr wichtig. Der entsprechende Lizenzbaustein (attribution, „BY“) ist in allen regulären Creative-Commons-Lizenzen enthalten; nur bei der Freigabe „CC Zero“ entfällt er. Lizenzgeber versprechen sich von solcher Verbreitung ihrer Werke zum Beispiel wachsendes Ansehen. Wird diese Anerkennung versagt, ärgern sie sich womöglich darüber so sehr, dass sie dagegen vorgehen. 

Es gibt aber auch Lizenzgeber, die die Bedingungen sehr ernst nehmen, weil ihnen der dahinterliegende Gedanke wichtig ist, dass die Materialien frei verfügbar und gut aufzufinden sind. Daher enthalten die CC-Lizenzen die Bedingung, Quelle und Lizenz zu nennen beziehungsweise zu verlinken. Fehlt diese Angabe, lässt sich die ursprüngliche Veröffentlichung nicht mehr leicht finden, was ihren Wert als freies Material mindern würde. Manche Lizenzgeber gehen gegen solche Versäumnisse vor.

3. Politische Aktivisten

Häufig gehen Lizenzgeber auch gegen formale Unzulänglichkeiten bei Lizenzhinweisen vor, die politische Gegner verschuldet haben. Ein formaler Verstoß wird dann ausgenutzt, um ihnen schaden zu können.

In Deutschland wurde ein gerichtliches Vorgehen gegen Lizenzverstöße bei Creative Commons erstmals durch das Verfahren „Gerlach/Deutsche Volksunion“ (DVU) bekannt. Die rechtsextreme DVU nutzte ein frei lizenziertes, im Sommer 2010 aufgenommenes Foto des Politikers Thilo Sarrazin, ohne einen Lizenzhinweis anzubringen und die Fotografin zu nennen. Das Landgericht Berlin untersagte der Partei in einer einstweiligen Verfügung, das Foto zu verwenden.

Der Fotografin Nina Gerlach ging es nach eigener Aussage vornehmlich darum, die Bedingungen der Lizenz durchzusetzen. Dennoch begann mit diesem Verfahren die Diskussion darüber, ob Abmahnungen von CC-Lizenzverstößen als Mittel der politischen Auseinandersetzung genutzt werden können. Ähnlich lag der Fall der Erfurter Videogruppe Filmpiraten, die bislang erfolgreich gegen einen Lizenzverstoß der österreichischen Partei FPÖ vorgegangen sind.

Politische Aktivisten sind darüber hinaus nicht nur gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien und Organisationen vorgegangen. Auch die meisten im Bundestag vertretenen Parteien oder ihre politischen Stiftungen wurden bereits wegen formal fehlerhafter Nutzung frei lizenzierter Inhalte abgemahnt. Die Argumentation lautete, die politisch Verantwortlichen für das Abmahnwesen und die Regelungen des Urheberrechts sollten die Folgen ihrer politischen Entscheidungen selbst zu spüren bekommen.

4. Abzocker

Es gibt auch Lizenzgeber, die gezielt frei lizenzierte Bilder im Internet veröffentlichten und regelrecht auf eine lizenzwidrige Nutzung warten, um die Verursacher dann kostenpflichtig abzumahnen oder Rechnungen zu verschicken.

Einige Fotografen nutzten beispielsweise die reichweitenstarke Plattform Wikimedia Commons, um frei lizenzierte Bilder online zu stellen. Da viele Nutzer die Inhalte von Wikimedia Commons und Wikipedia irrtümlich als vollständig gemeinfrei betrachten und bei der Namensnennung und den Lizenzhinweisen leicht etwas vergessen werden kann, kommt es tatsächlich häufig zu Fehlern bei der Weiternutzung. Darauf stürzen sich Abzocker.

Diesen Missstand diskutierte auch die Wikipedia-Gemeinschaft, doch zu einem generellen Ausschluss von Fotografen, die ohne vorherige Ankündigung kostenpflichtige Abmahnungen verschicken, konnte sie sich nicht entschließen. Der Verein Wikimedia Deutschland hat jedoch mit dem „Lizenzhinweisgenerator“ ein Werkzeug geschaffen, das die rechtssichere Nutzung von Wikimedia- und Wikipedia-Inhalten stark vereinfacht.

Creative-Commons-Abmahnungen: Ein deutsches Problem?

Die Methode, auch kleinere Verstöße gegen die Creative-Commons-Lizenzbedingungen geltend zu machen, ist ein vorwiegend deutsches Phänomen, das es in dieser Form in anderen Ländern nicht gibt. Ein wichtiger Grund liegt darin, dass das Rechtsinstitut der Abmahnung hierzulande sehr spezifisch gestaltet ist. So können entstehende Kosten bei demjenigen, der Rechte verletzt hat, geltend gemacht werden. Das schafft indirekt einen finanziellen Anreiz für Abmahnungen.

Hinzu kommt, dass in anderen Ländern die Voraussetzungen für einen Lizenzverstoß strenger ausgelegt werden. So entschied beispielsweise ein Bezirksgericht in den USA, dass das Fehlen eines Links auf den vollständigen Lizenztext nicht zum Entfallen der Lizenz führe. Durch genaue Angabe der Lizenzbedingungen (im konkreten Fall „CC-BY-SA 2.0“) seien die Bedingungen klar genug identifizierbar. Das Gericht argumentierte, die Lizenzbedingungen verlangten zwar eine eindeutige Bezeichnung der Lizenz (einen „Uniform Resource Identifier“, URI), nicht aber zwingend eine Webadresse (Uniform Resource Locator, URL).

Man kann allerdings nicht davon ausgehen, dass deutsche Gerichte das genauso sehen würden. Deshalb sollte die Lizenzangabe stets mit dem Lizenztext verlinkt werden oder im Druck die genaue URL angegeben werden.

Was sagen Gerichte zu Creative-Commons-Abmahnungen?

Lizenzverletzungen sind nun einmal Lizenzverletzungen. Bei Creative-Commons-Lizenzen führen sie dazu, dass die Lizenz als solche entfällt und die jeweilige Nutzung Urheberrechte verletzt. Deutsche Gerichte beurteilen das nicht grundsätzlich anders als andere Urheberrechtsverletzungen.

Inzwischen gibt es aber einige Urteile, die das Geschäftsmodell von Abzockern gefährden. So versagte das Oberlandesgericht Köln einem Fotografen, Schadensersatz bei fehlerhaft ausgewiesenen Fotos zu verlangen, die eine kommerzielle Nutzung ermöglichten. Ein Schadensersatz könne nicht verlangt werden, solange nicht klar nachgewiesen werden konnte, dass die Fotografen eine Möglichkeit der kommerziellen Auswertung hatten oder durch Links eine konkrete Werbewirkung für ein eigenes, kommerzielles Angebot entstehen sollte. Das ist bei Abzockern oft nicht der Fall.

Einen anderen Weg gingen Gerichte unter anderem in Berlin und München. Dabei ging es beispielsweise um Lizenzverstöße bei der Nutzung von Fotos der Plattform Pixelio, die kostenlose Bilder unter eigenen Bedingungen anbietet. Das Kammergericht Berlin beschränkte den Schadensersatz bei einer lizenzwidrigen Nutzung auf 100 Euro.

Die Vorgehensweise einiger Abzocker könnte unter Umständen sogar strafrechtlich relevant sein. Nämlich dann, wenn sie bewusst überhöhte Forderungen stellen und den Anschein erwecken, diese seien berechtigt. Solche Strafverfahren gab es bisher nicht. Gerichte haben aber in manchen Fällen bereits festgestellt, dass die Forderungen unberechtigt waren. Dabei ging es wohlgemerkt um Fälle, die man als „Abzocke“ charakterisieren kann. Bei Lizenzverstößen in anderen Konstellationen kann die Sache wiederum anders aussehen.

Was tun?

Generell sollte man beim Verwenden von Creative-Commons-Inhalten auf die Lizenzbedingungen und vollständige Lizenzhinweise achten. Das ist durchaus möglich und es gibt eine Reihe von Hilfsmitteln, die man dafür verwenden kann.

Auf keinen Fall sollte man Forderungen von Abmahnern ungeprüft bezahlen. Ohne vorherige Ankündigung gestellte Forderungen für CC-Lizenzverletzungen können ein Indiz dafür sein, dass es sich um Abzocke handelt. In solchen Fällen empfiehlt es sich, einen Anwalt einzuschalten oder auch juristische Gegenwehr zu prüfen. Weitere Verhaltenstipps gibt es im Beitrag „Grundregeln bei Abmahnungen: Wie verhalte ich mich richtig?“.

Allerdings gibt es auch durchaus legitime Interessen, gegen Lizenzverstöße vorzugehen. Denn wer gegen Lizenzbedingungen verstößt, verletzt das Recht eines anderen.

 

Autor: Paul Klimpel, iRights.info Logo: iRIGHTS.info

Lizenz: Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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