Der zweite Teil dieser Einführung behandelt die eigentliche Produktion von Podcasts. Diese beginnt aber bereits weit vor der eigentlich Aufnahme, da man sich zunächst einmal darüber im Klaren sein sollte, was man eigentlich aufnehmen möchte und wie.
Das Format
Das Format der Sendung ist die primäre Design-Entscheidung eines Podcasts. Wieviele Leute nehmen teil? Wer übernimmt die Rolle eines Moderators? Wie kann, soll und darf eine Sendung sein? Alle diese Parameter haben Einfluss auf die Technik und keine Technikkonstellation ist für jede Situation geeignet. Daher ist es sinnvoll, vor Beginn darüber nachzudenken, in welche Richtungen sich der Podcast entwickeln sollte und könnte.
Im folgenden beschreibe ich Konstellationen für typische Podcast-Formate
Der Solo-Podcast (stationär)
In einem Solo Podcast spricht nur eine Person. Hier wird typischerweise eine monologische Gesprächsführung gewählt, auch wenn Mischformen denkbar sind. So könnte ein Moderator z.B. auch vorher aufgezeichnetes Audio Feedback von Hörern oder anderes Sprachmaterial oder auch Musik einspielen. Ein Solo-Podcast benötigt in der Regel viel Vorbereitung, da man sich längere Sprechpausen in der Regel nicht leisten kann, es sei denn, man nimmt nicht alles am Stück auf. Dann aber läuft man Gefahr, dass das zusammengestückelte Endergebnis auch genau so klingt: inkoherent, mit unterschiedlichen Sprechgeschwindigkeiten, Tonlagen und ggf. unzusammenhängenden Argumentationen, wenn man gar nicht aufpasst. Ein in einem Stück aufgenommener Podcast wirkt immer natürlicher und im Idealfall auch schwungvoller, erfordert aber hohe Konzentration. Hier kommt es letztlich auf die Gesamtlänge an. Bis zu 15 Minuten lassen sich in der Regel von einer Person noch leicht produzieren. Ist das Thema gut bekannt, eigentlich selbsterklärend oder hat der Moderator einfach schon viel Erfahrung, lassen sich auch längere Sendung realiiseren. Doch das Konsumieren monologischer Podcasts kann für den Zuhörer auch schnell anstrengend werden, da Pausen und Geschwindigkeitswechsel selten sind, die dem Hörer Verschnaufpausen und Abwechslung schaffen könnten. Dabei hilft es auch nicht, dass Podcasts grundsätzlich pausierbar sind, denn die Pause ändert nichts am Fluss der Inhaltsvermittlung. Solo-Podcasts lassen sich mit verhältnismäßig wenig Technikaufwand realisieren. Da hier nur ein Mikrofon erforderlich ist, kann man bequem zu günstigen Großmembranmikrofonen greifen, die eine sehr gutes Klangbild erzeugen. Es gibt entsprechende Modelle bereits mit eingebauter USB-Schnittstelle, so dass das Mikrofon direkt ohne Mischpult und Verstärker an den Computer angeschlossen werden kann. Ein im Mikrofon eingebauter Monitorausgang erlaubt den Anschluss eines Kopfhörers (hier in der Regel ein platzsparender 3,5mm Stereoklinkenausgang), so dass man bei Einsprechen sich voll auf seine Stimme konzentrieren kann. Für die Aufnahme kann im Prinzip jede noch so einfache Software mit Aufnahmefunktion genommen werden. Da hier nur eine Spur aufgenommen wird, entfällt ein Mixen. Lediglich eine Nachbehandlung mit einem Kompressor ist zu empfehlen. Wichtig beim Einsatz eines empfindlichen Großmembranmikrofons (z.B. Rode Podcaster) ist ein möglichst hallfreier Raum. Alternativ können zur Kostenersparnis auch einfache USB-Headsets verwendet werden, doch ist die Klangqualität spürbar niedriger. Da beim Solo-Podcast außer dem dem Mikrofon kaum Hardware-Kosten entstehen ist aber zu dem Großmembranmikrofon zu raten.
Der Solo-Podcast (mobil)
Ein Solo-Podcast, der unterwegs aufgenommen wird, dürfte in der Regel einen direkten Bezug zum Aufenthaltsort haben. Typische Anwendungsfälle ist Soundscaping, wo primär Umgebungsgeräusche aufgenommen werden und zwischendurch Kommentare zu den Geschehnissen in der Umgebung hinzugefügt werden. Geht es nur um die Sprachaufnahme reicht ein portabler Audiorecorder mit eingebautem Monomikrofon. Allerdings haben heutzutage nahezu alle Geräte ohnehin ein Stereomikrofon eingebaut. Man sollte bei der Wahl des Geräts trotzdem auf Qualität achten. Allzu billige Recorder nerven z.B. durch die Aufnahme von Berührungsgeräuschen der Hand und blechernen Klang. Hier bieten die Recorder von Edirol und Tascam einen guten Mindeststandard. Für Soundscaping ist eine Stereoaufnahme dringend empfohlen. Ein besonderer Effekt ist eine binaurale Aufnahme, die die Mikrofone direkt im Ohr platziert. Hier sind vor allem die OKM Mikrofone der Berliner Firma Soundman zu empfehlen, die für wenig Geld eine hervorragende Abbildung der Klanglandschaft ermöglichen. Hier ist zu bedenken, dass die OKMs 5V Phantomspeisung benötigen (die sog. “Plugin Power”). Manche Recorder (z.B. viele Modelle von Sony) bieten Plugin Power serienmässig, sonst kann auch mit einem entsprechenden Speiseadapter arbeiten.
Der Dialog-Podcast
Wird eine Sendung mit zwei Personen aufgenommen, ändert sich die Dynamik des Gesprächs in der Regel deutlich. Dabei ist es unerheblich, ob die beiden Personen gleichberechtigt als Moderatoren auftreten oder ob es sich um eine Moderator/Gast-Situation handelt. Die natürlichen Pausen eines wechselseitigen Gesprächs bzw. der Übergang zwischen zwei separaten Ansprachen schafft für den Hörer ein vom Solo-Podcast deutlich unterschiedliches Format. Der Dialog ist in vieler Hinsicht ideal und für Podcasts im besonderen Maße geeignet. Durch einen abwechselnden Gesprächsverlauf entstehen für jeden Moderator oder Gast Pausen, in denen man sich über die nächsten Schritte, Fragen und Antworten Gedanken machen kann. Das Format wird üblicherweise gegenüber einem Solo-Podcast deutlich entzerrt und wirkt entspannter. Das Dialogische stand interessanterweise auch beim Radio in den 1930er Jahren am Anfang der Entwicklung und wurde schon früh als didaktisches Format zur Fortbildung der Hörerschaft genutzt. Es stellte auch daher die frühe Form des Talk Radio dar. Um einen Dialog-Podcast aufzunehmen, sind die technischen Anforderungen etwas höher. Zunächst einmal müssen zwei Stimmen aufgenommen werden. Dies kann mit einem gemeinsamen oder zwei Mikrofonen gemacht werden. Sitzt man unmittelbar nebeneinander oder gegenüber und verwendet mit ein Mikrofon mit entweder einer sehr weiträumigen Nierencharakteristik oder einer Kugelcharakteristik, können beide Teilnehmer theoretisch auf einer Spur aufgenommen werden. In diesem Fall gelten die technischen Anforderungen eines Solo-Podcasts. Es sollte aber bedacht werden, dass dies die Bewegungsfreiheit der Teilnehmer ggf. nennenswert einschränkt und man immer Gefahr läuft, den Wirkungsbereich des Mikrofons zu verlassen. Viel sinnvoller ist es, jedem Teilnehmer an der Sendung sein eigenes Mikrofon zu geben und aus den Signalen mit einem kleinen Mischpult den Sendungsmix zu erzeugen, der dann auch in die Kopfhörer geleitet wird. Das Summensignal – der Main Mix – kann dann schon als fertige Sendung aufgezeichnet bzw. auch live gestreamt werden. Da ein Dialog-Podcast maximal nur zwei Mikrofone verwendet kann man hier mit einer Stereoaufnahme alle Spuren aufnehmen. Dies kann für eine detaillierte Nachbearbeitung oder Extraktion von Inhalten aus der Aufnahme hilfreich sein.
Die Talkrunde
Bei drei oder mehr Teilnehmern entwickelt sich ein Gespräch schnell zu einer sehe dynamischen Gesprächsrunde, die einerseits sehr
unterhaltsam sein kann, es aber auch dem Zuhörer zunehmen schwerer macht, den einzelnen Sprechern zu folgen bzw. diese zu identifizieren. Entsprechend stellen diese Runden auch für die Aufnahme weitere Anforderungen. In einer Talkrunde ist es unerlässlich, dass jeder Teilnehmer sein eigenes Mikrofon hat. Sitzen alle Teilnehmer zwangsläufig sehr eng zusammen könnte man überlegen, statt Kondensatormikrofonen eher auf qualitativ hochwertige dynamische Mikrofone zu setzen, um in der Aufnahme eine bessere Kanaltrennung zu erreichen. Eine Möglichkeit, die Verständlichkeit einer großen Gesprächsrunde zu erhöhen, ist, jeden Sprecher im Stereobild an einer anderen Stelle zu positionieren. Wenn manche Sprecher mehr nach links, andere mehr nach rechts positioniert werden, können die Zuhörer die Stimmen ggf. leichter auseinanderhalten bzw. einen Sprecherwechsel in einem schnellen Gespräch einfacher registrieren. Es sollte aber darauf verzichtet werden, die Positionierung zu extrem zu machen. Alle Sprecher sollten auf beiden Kanälen deutlich hörbar sein, damit auch in extremen Stereowiedergabe-Situationen (z.B. im Auto) noch ein akustisch nachvollziehbares Ergebnis herauskommt. Eine einseitige Belastung eines Kanals ist auch beim Hören mit Kopfhörern eher unangenehm. Auch eine Mehrspuraufnahme, in der jeder Sprecher separat aufgenommen wird, ist bei einer Talkrunde sinnvoll, denn dies macht eine nachträglich Bearbeitung viel einfacher. Davon abgesehen kann man auch die räumliche Positionierung im Nachhinein feinabstimmen und ein optimales Ergebnis erzielen.
Die Aufnahme
Bevor man zur Aufnahme eines Podcasts schreitet, sollte man sich über einige Dinge Gedanken machen. Nicht alles, was hier aufgeführt wird muss zwingend so umgesetzt werden, aber es lohnt sich, zumindest zu prüfen, ob man vielleicht ohne nennenswerten Aufwand das eine oder andere von vornherein den Anforderungen an eine gute Aufnahme anpassen kann.
Raumsituation und Hall
Wenn man innerhalb eines Raumes aufnimmt, sollte man sich einen Raum suchen, der nicht so viel Hall entwickelt. Kahle Wände und vor allem glatte Fensterfronten sind die Hauptursache für Hall, der sich nachher störend auf die Aufnahme legt und es den Zuhörern unnötig schwer macht, dem Gespräch zu folgen. Es ist nicht immer einfach, vorhandenen Hall zu unterbinden, so sollte man gleich nach einem Raum Ausschau halten, der eine bestimmte „Unordnung“ mit sich bringt: schräge Wände, Bücherregale, Pflanzen, Polstermöbel und Teppiche, Wandteppiche und Vorhänge – all das trägt erheblich dazu bei, dem Schall nicht zu viel Reflektionsfläche zu bieten und ihn zu absorbieren oder zu diffundieren. Wer sich einen festen Raum als Aufnahmestudio einrichten will, sollte überlegen, ob man kritische Stellen nicht gleich etwas umstellt oder gar absorbierende Materialien installiert. Eine große Fensterfront lässt sich durch einen Molton-Vorhang schnell in den Griff kriegen. Wandteppiche können Wände entschärfen. Dazu ist es sinnvoll, nicht zu viel zusätzliche „Klangkörper“ ins Spiel zu bringen. Metall- oder Glastische können sich unangenehm einbringen, wenn Gesprächsteilnehmer mit ihren Händen oder irgendwelchen Büroartikeln auf der Oberfläche herumfuhrwerken. Hier ist ein massiver Holztisch sinnvoller, ggf. kann man auch mit Schreibtischauflagen Entspannung schaffen.
Sprecherposition
Ein bequeme Sitzposition ist für Sprachaufnahmen sehr von Vorteil. Idealerweise sollte man das aber nicht zusammengekrümmt im Sofa sitzen, sondern möglichst aufrecht, so dass der Brustkorb und Bauchbereich seine volle Atmungsunterstützung entwickeln kann. Wer mag kann auch gleich stehen oder zumindest eine Stehhilfe bzw. Hochsitz verwenden. Dann ist das Sprechen am einfachsten, man kann leichter laut und direkt sprechen und wird am Ende besser verstanden.
Mikrofonierung
Die Aufgabe des Mikrofons ist es, die Sprache jedes Gesprächsteilnehmers optimal einzufangen und für die Aufnahme zu wandeln. Daher ist es optimal, wenn jeder Teilnehmer auch über sein eigenes Mikrofon verfügt. Zwar kann man auch mehrere Leute mit einem Gemeinschaftsmikrofon aufnehmen, doch wird es sich kaum vermeiden lassen, dass man dabei auch immer viel „Raum“ aufnimmt, der sich in der Aufnahme störend auswirkt. Der Aufwand, jedem Teilnehmer sein eigenes Mikrofon zuzuteilen lohnt sich daher auf jeden Fall. Wer hier Geld sparen möchte, sollte sich seiner Optionen bei der Auswahl des richtigen Mikrofons bewusst sein. Entsprechend benötigt man für die Aufnahme auch einen eigenen Mikrofoneingang (Mikrofonverstärker) am Mischpult oder Aufnahmegerät. Hier muss also die richtige Kapazität vorhanden sein.
Aufnahmegerät
- Einen Mikrofoneingang (Mikrofonvorverstärker) für jedes Mikrofon
- Ein Mischpult (oder entsprechende Software im Computer), die die einzelnen Spuren zusammenmischt.
- Ein Aufnahmegerät (oder entsprechende Software im Computer), die die Summe oder die einzelnen Spuren einzeln aufnimmt
Dann kann es losgehen. Wie sich diese Situation genau aufbaut hängt vom gewählten Format ab.
Software
Podcasting ist eine Publikationsform, die auf Computer und mobile Abspielgeräte zugeschnitten ist. Es ist anzunehmen, dass nahezu jeder, der Podcasts produziert oder Podcasts konsumiert, über einen Computer verfügt. Doch dies kann sich ändern, denn zum einen werden Smartphones für den Empfang von Podcasts zunehmend interessanter und setzen mit unter schon keinen Computer mehr voraus. Auch lassen sich schon heute mit Smartphones und Tablets auch Audioaufnahmen und Schnitt durchführen und der nächste Schritt, der dann auch Encoding und Publikation übernimmt ist nicht mehr weit. Trotzdem bietet der Computer immer noch die größte Bandbreite an Bearbeitungsmöglichkeiten für qualitativ hochwertige Bearbeitung der Audiodaten.
Recording und Editing
In einer stationären Aufnahmesituation spricht einiges dafür, die Audiodaten gleich mit dem Computer aufzunehmen. Einerseits entfällt das ggf. zeitaufwändige oder fehleranfällige Übertragen der Daten von einem Aufnahmegerät, andererseits bietet der Computer insbesondere im Bereich der Mehrspuraufnahmen und Echtzeitanwendung von Filtern etc. viele Möglichkeiten. Konkurrenzlos ist der Computer bei der Audiobearbeitung. Das Einkürzen der Sendung, das Bearbeiten von Fehlern und die anschliessende Audioaufbereitung für die Veröffentlichung lassen sich am besten mit einer integrierten Audiosoftware machen.
Die Auswahl an Programmen ist gross. Hier eine kleine Auswahl.
Audacity
Audacity ist eine freie und damit kostenlose Softwarelösung für einfache Aufnahme und Audiobearbeitung. Hier findet sich im Kern alles, was man für den Einstieg braucht. Allerdings ist das Programm nicht besonders leistungsfähig und zuverlässig. Für große und wichtige Aufnahmen ist es eher geraten, auf professionelle Angebote zu setzen. Audacity läuft auf nahezu allen Desktop-Plattformen.
Adobe Audition
Audition ist ein „gut abgehangenes“ Stück Software, dass durch seine Leistungsfähigkeit und vielen Möglichkeiten, kaputte Aufnahmen zu retten glänzt. Audition läuft auf Microsoft Windows, erscheint jetzt aber auch auf Mac OS X.
Apple Garageband
Garageband ist eine Software für die Aufnahme und Bearbeitung von Musik und Podcasts. Es ist sehr einfach zu bedienen und hat viele Funktionen, die gerade die Podcastaufnahme – und publikation unterstützen. So kann man in Garageband einfach auch Kapitelmarken hinzufügen. Garageband läuft nur unter Mac OS X. Es erscheint jetzt eine iPad-Version, von der noch nicht klar ist, wie gut sie sich über Podcast-Aufnahmen eignet.
Fazit
Selber Radio zu machen, ist einfach. Man sollte sich nur vorher überlegen, mit wie vielen Leuten man in welcher Situation sprechen will, welche Anforderung an Qualität und Mobilität der Technik stellt und vor allem, wie man die Gesprächsführung gestalten will. Die ersten Versuche werden sicherlich katastrophal ausfallen, aber das ändert sich schnell. Jeder Podcaster blickt mit einem latenten Unwohlsein auf seine erste Sendung, nicht selten auch die Zweite. Aber von da ab gewinnt man schnell an Erfahrung und Routine. Wer dranbleibt wird schnell zu passablen und befriedigenden Ergebnissen kommen. Die Möglichkeiten eines Gesprächs auszuloten, die Dynamik des Dialogs zur Wissenser- und -vermittlung zu nutzen und eine Sendung mit Spannung, Tiefe und Humor anzureichern sollte das Ziel sein. Man sollte dabei nie nur für sich produzieren, sondern sich stets im Bewusstsein halten, dass das Endergebnis von Dritten auch gehört und genossen werden soll. Mit der Einstellung kommt man schnell voran und kann in der Folge auch im Dialog mit den Hörern am Format feilen und auch für sich selbst den wünschenswerten und notwendigen Spass am Gespräch finden.
Autor: Tim Pritlove für pb21.de
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